Motivation

Motivation: 30 Minuten mit Beate Görtz

Beate Görtz: Profi-Triathletin seit 2012, Ironman-Weltmeisterin 2010 und 2011, Gewinnerin der Challenge Dänemark sowie des Ostseemans 2015, startet für den ASV Köln, ist Süchtig nach Weingummi und die größte Motivation, die wir Rookies uns vorstellen können. Ich hatte nun die Gelegenheit sie zu Treffen und sie mit Fragen zu löchern:


Du konntest ja schon einige Titel abräumen und Rennen gewinnen, ist es das gleiche Gefühl zu Gewinnen wie wenn man den aller ersten Triathlon finisht?

„Das erste Mal über die Ziellinie zu laufen ist ein Gefühl, was du nie wieder reproduzieren kannst. Da bist du so wahnsinnig stolz auf das was du geleistet hast – ich glaub das ist das schönste Gefühl.

Gewinnen ist auch noch richtig super, aber irgendwie erinnere ich mich immer noch an den aller, aller ersten Wettkampf am aller liebsten zurück. Das ist total verrückt! Gewinnen ist auch irre und gerade lokal zu gewinnen ist irre. Ich sollte letztens ein emotionales Erlebnis aus meiner Karriere erzählen und hab ich die ganze Zeit überlegt: Welches könnte das denn sein? Bis ich erst mal auf die Weltmeisterschaft in Hawaii gekommen bin, als ich die Altersklasse gewonnen habe…

Man kann es schon vergleichen, aber das erste Mal ist immer etwas ganz, ganz Besonderes!“

Nennst du mit die TOP3 der schlimmsten Dinge, die während einem Triathlon passiert sind?

„TOP1 ist die Geschichte, die mir in Roth passiert ist auf meiner ersten Langdistanz: Chip am Neoprenanzug hängen geblieben, nach 8 km auf dem Rad hab ich festgestellt: „Oh, der Chip hängt wahrscheinlich am Anzug!“ und es war meine erste Langdistanz – was machst du dann? Ich musste also in Sekunden entscheiden, bin zurück gefahren, hab in dem Container in dem die beutel lagen meinen beutel gesucht, hab diesen Chip ganz unten gefunden, bzw. ein kleiner Junge der mir geholfen hat, hat ihn gefunden – ich bin als letzte Person im Rennen gestartet und trotzdem noch als 38 Frau herein gekommen. 
Deswegen sag ich, man soll niemals aufgeben! Das war aber wirklich der schlimmste Faux-pas! Seit dem nähe ich den Chip immer fest!

Als Zweites sollte immer jemand den Anzug zu machen, der sich ein bisschen mit Triathlon auskennt. Sonst hast du beide Bändel draußen, ziehst dir den Neoprenanzug aus und ziehst aber auch alles andere aus –  dann kann man auch schon mal blank da stehen. 

Und der dritte Faux-pas ist mir beim Ironman Frankfurt passiert – zu wenig gegessen, zu wenig getrunken und für den Marathon keine Energie mehr gehabt – also Essen und Trinken ist die oberste Pflicht eines Triathleten im Wettkampf!“

Aber du bringst die rennen dann trotzdem zu Ende, auch wenn es nicht so gut läuft?

„Ja! Eine ganz schlechte Erinnerung ist da eine ganz schlechte Marathonzeit, die ich davor viele Jahre lang nicht mehr hatte. Aber trotzdem ist es wichtig das Rennen zu Ende zu bringen – möglichst keine Rechnung offen haben, du weißt nie ob dir deine Gesundheit die Chance ein zweites Mal in deinem Leben gibt und deswegen ist es immer schön einfach zu finshen. Das finde ich ganz toll bei vielen meiner Profi-Kolleginnen, die das auch machen. Die gehen teilweise ins Ziel aber sie kommen an – da ziehe ich ganz stark meinen Hut vor!“
Neben dem Triathlon gehst du Vollzeit arbeiten. Wie funktioniert deine Tagesorganisation und was hat es mit „Denken in Zeitfenstern“ auf sich?

„Ich hab mir jetzt abgewöhnt das in meinem Freundeskreis anzubringen, sonst denken meine Freunde noch ich wäre so ein Termin-Junkie – aber in Wirklichkeit ist es so! Der Tag hat 24h und davon muss ich 9-10h arbeiten, das lässt sich nicht rütteln – ohne Geld kein Triathlon – und dann morgens dieses frühe Aufstehen das ist schon sehr sehr getaktet und abends das Training ist mega getaktet und danach wieder Büro ist auch getaktet… Wenn ich ganz ehrlich sein soll: es gibt keine sinnlose Minute mehr! 
In der Taper-Phase nehme ich mir 1000 Sachen vor die ich das ganze Jahr über nicht schaffe – es ist schon schlimm mit diesen Zeitfenstern – aber anders geht es einfach nicht! Ich hab zum Glück einen Partner an meiner Seite der sehr viel Verständnis dafür hat, was das eigentlich bedeutet. Wichtig ist, dass das soziale Umfeld das nicht so mitbekommt – der größte Teil meines Freundeskreises besteht nicht aus Triathleten und ich spreche das Thema Triathlon dort nicht an – du kannst von niemandem erwarten, dass er diese Zeitfenster-Struktur nachvollziehen kann.“
Was treibt dich an?

„Ich glaube bei mir ist es eine positive Sucht und das verlangen mir selber zeigen zu können, dass ich gegen das Alter ansteuern kann. Ich bin mittlerweile 46, und wenn ich dann noch ne Challenge gewinne, dann sag ich immer: „Geil, das geht noch!“ Ich kann ja nichts mehr aufbauen an Leistung, aber dem Körper zu zeigen, ich kann das Altern kompensieren – das ist meine Bestätigung. 
Also ich will schon noch einige rennen mit einer top Platzierung finishen – ich kann nie erwarten dass ich irgendwas gewinnen kann, nicht mehr in meinem Alter – aber wenn dann doch nochmal so eine verrückte Sache [wie in Dänemark] zu Stande kommt – das gibt mir sooo viel Energie, dass ich auf keinen Fall an aufhören denken kann – das Einzige was mich irgendwann dazu zwingen wird ist die Gesundheit. und dass muss ich dann akzeptieren.“
Hast du bestimme Rituale vor einem Rennen und geben sie dir Sicherheit?

„Das Packen ist für mich ein Ritual. Ich hab ne ganz verrückt gekritzelte Checkliste – die wird abgearbeitet. Da ist für jedes Wetter etwas drauf, lange Arme, kurze Arme, was ich alles beachten muss. Der ganze Tag vor dem Wettkampf ist ein Ritual. Er fängt fast immer an mit 20/20/20, also 20 [Minuten]Schwimmen, 20 Rad, 20 Laufen, aber im umgekehrten Verhältnis. Danach alles Packen, Rad bekleben und dann: Ruhe – Ruhe – Ruhe. Abends nochmal: check – check – double-check! Alles wird geprüft und gemacht und getan, bis ich zu 100% sicher bin, dass alles gepackt ist. Dann liegt das alles natürlich da wie auf einem Altar – dann kommt die unruhige Nacht ohne Schlaf, manchmal bin ich aber auch ganz entspannt, kommt immer drauf an was ich für eine Erwartungshaltung an mich habe, aber diese Rituale geben dir Sicherheit und auch Zuversicht. Ich mache das seit 7 Jahren immer so gleich! die Liste wird nur immer länger!“ (lacht)
Hast du ein neues Körpergefühl entwickelt und hörst auch auf deinen Körper?

„Das lernt man absolut! Ein Athlet lernt so sehr auf seinen Körper zu hören! Du weißt genau: wann bist du zu müde um was machen zu können? Wann bist du so müde, dass du einen tollen Trainingsreiz noch setzen kannst? Keiner erwartet bei einer Athletin, die zwei Mal am Tag trainiert, dass sie regeneriert in die zweite Einheit geht! Aber das ist auch gar nicht gewollt – ich will ja nicht erholt in die nächste Einheit gehen, ich will meinen Körper ja auch an neue Grenzen bringen und Reize setzen, das ist im Training aber ja mit berücksichtigt. 
Ich habe ein Lungenproblem: ich hab mehrmals Luft aus der Lunge verloren – meine Lunge ist jetzt fest-geklebt und wenn ich nur merke, dass sich ein bisschen was gelöst hat, weiß ich das sofort! Als Leistungssportler weiß man es auch einzuschätzen: „Jetzt bin ich so krank, jetzt riskiere ich nichts mehr.“ Eigentlich weiß man ganz genau, wann man noch trainieren darf und wann nicht!“
Vor Dänemark hast du gesagt, du weißt nicht ob du einen Marathon laufen kannst. Warum bist du trotzdem gestartet und wann wurde dir klar, das könnte heute vielleicht doch funktionieren?

„Also Starten geht ja eigentlich immer. Ich kann zwar im Moment nicht gut Laufen, aber ich kann ja Schwimmen und Radfahren. Also hab ich gesagt: „Komm, probier es einfach!“ Adrenalin ist so ein wahnsinniger Helfer, gerade bei der Langdistanz. Beim Laufen kann man einfach nicht mehr spekulieren. Ich war auf Platz 2 und dachte: „Gut, TOP3 sichern wäre wirklich cool, könnte ja von hinten gleich jemand kommen…“ und ich war die ganze Zeit mit den Gedanken bei „Was kommt von hinten, was kann ich vorne noch machen?“ Du bist 100% konzentriert und fixiert, und dann fragst du auf einmal immer: „Schmerzen? die gehen, das lässt sich machen.“ und dann ist da dieses Adrenalin. „Weißt du was? wenn du dieses Ding durchlaufen kannst, hast du vielleicht noch die Chance auf einen Titel!“ Je näher du an dieses Ziel kommst, dir deine Leute am Straßenrand sagen, dass der Abstand kürzer wird, desto verrückter wird die ganze Aktion und desto mehr Energie kannst du deinem Körper auch abverlangen – da sind Wunder möglich! Das ist unglaublich! Ich war müde vom Lauf, aber ich habe meine Schmerzen mit Adrenalin kompensiert – das ist der absolute Hammer – Direkt nach dem Wettkampf bin ich komplett zusammen gebrochen – da ging nix mehr, da war Ende. Kreislauf alles weg – ich hab mich gar nicht gut gefühlt. Aber im Wettkampf hat das geklappt, das ist absoluter Wahnsinn! 
Deswegen: immer antreten, aufgeben ist nicht schön, aber kann man ja immer noch! Wenn der Körper dir dann sagt: „es geht nicht“, dann muss man auch aufhören. Ich hatte ja auch schon die ungeliebten DNFs, wo ich gemerkt habe, dass kann mein Körper, meine Lunge nicht also zack – aufhören! Bringt ja nix! Dann aber auch an die Strecke gehen und deine Athleten motivieren! Das war für mich dann Ehrensache. Ich bin zwar ausgestiegen aber ich steh dann da und helfe den anderen Leuten zu finishen. Es ist ja keine Schande aufzuhören, es ist ja eher mutig.“
Wie viel #runhappy steckt noch im Leistungssport?
[Sie überlegt einen Moment…]

„Wenns gut läuft: 100%. Wenn ich schlechte Lauftage habe, und die habe ich wahrlich seit meinem entzündeten Beckengürtel, dann ist nicht mehr so viel runhappy dabei…
Und dann kommen aber auch wieder Tage an denen du die Zeiten läufst die der Trainer dir vorgibt und dann bist du im Rausch – dann ist wieder alles gut! Das ist runhappy!“
Verrätst du mir als letztes noch die ultimativen Tipps für unseren ersten Triathlon?

„Ihr müsst  mit viel viel Freude an den Start gehen. Ich finde es immer ganz wichtig den Respekt vor einem Triathlon nicht zu verlieren. Also respektvoll an den Start gehen. Beim schwimmen zum Beispiel kannst du einen Brust-Beinschlag abbekommen… Immer schön achtsam sein, ein bisschen auf die anderen Athleten achten. Es gibt leider auch immer wieder Unfälle auf dem Rad, weil viele Anfänger vielleicht vergessen dass sie rechts fahren müssen, und dann kommen schnellere Athleten von hinten angefahren – als Anfänger hat man überhaupt nichts zu verlieren – ihr könnt beim ersten Mal sowieso nur gewinnen! 
Also umsichtig sein beim überholen, das Umfeld halt immer ein bisschen im Blick behalten, gute Verpflegung, gutes Wechseltraining – das ist ganz wichtig um da auch sicher zu sein – Equipment auf Schnelligkeit tunen, wie das annähen von Schuhzungen oder Schnell-Schnür-Systeme, übt den Helm zuzumachen, die Uhr zu bedienen – dabei hab ich auch schon schön viele Probleme gehabt – aber das wichtigste ist, den Spaß daran nicht zu verlieren! 
Die Zeit nach dem Wettkampf ist die schlimmste. Dann drehen die Triathleten durch auf der Suche nach dem nächsten rausch! 
Bei mir ist es immer noch genau so und so lange ich mich noch bewegen kann, werde ich Triathlon machen, und so lange geht auch das Training!

Noch einmal ein ganz ganz großes Dankeschön an Beate! Du hast mir unendlich viel Motivation mit auf den Weg gegeben! Du bist unglaublich positiv und es hat wirklich Spaß gemacht 🙂

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